Servus mitanand,
unter einer Farce sind gleich zweierlei Dinge im allgemeinen Sprachgebrauch zu verstehen: Zum einen, eine aus gehacktem Fleisch oder Fisch hergestellte Füllung für Speisen. Zum anderen eine Angelegenheit, bei der das vorgegebene Ziel nicht mehr ernst zu nehmen ist. In zweiterem Sinne ist die sportliche Lage der Spielvereinigung eine Farce. Der Klassenerhalt scheint in weiter Ferne.
Für Fans von fußball-esoterischen Floskeln wären derzeit auch Sprüche wie, der Geist ist willig, doch das Fleisch ist schwach, vorne hilft der liebe Gott, oder einfach nur Gurkentruppe, das Globuli zur Schmerzminderung. Doch als der einzige Unterhaching-Fan mit der richtigen objektiven Meinung und den nötigen Kompetenzen ist es mir nicht nur eine Ehre, sondern gar die Pflicht, das sportliche Abschneiden unserer Mannschaft in der Hinrunde der Spielzeit 2024/2025 einzuordnen. Denn wie beim Absturz zahlreicher Traditionsclubs und dem parallelen Erstarken kleiner Vereine in der hiesigen Fußballlandschaft zu beobachten ist, geht die Entwicklung im Fußball im Gegensatz zum Reifeprozess von guten Rotweinen diametral auseinander: Je älter, desto schlechter.
Als, meines Zeichens, Oberlehrer mache ich mir natürlich schon bereits seit der Einschulung in die neue Spielzeit Gedanken um meinem Schützling aus Unterhaching. Doch geht es hier um einen Schüler, der aktuell in der letzten Reihe sitzt, in Gesprächen immer wieder betont, alle Bemühungen anzustrengen und am Ende beinahe jede seiner Klausuren am Wochenende in den Sand setzt. In den Elterngesprächen auf Magenta betont Papa Manni gebetsmühlenartig, dass er alles im Griff habe, doch eine Versetzung ins nächste Schuljahr ist stark gefährdet. Der blaue Brief ist längst in der Geschäftsstelle angekommen.
Doch um alles einordnen zu können, beginnen wir am Anfang des Schuljahres, das, bei den Strebern unter uns, bereits in den Sommerferien beginnt. Sprich, mit der Kaderzusammenstellung und den Vorbereitung zur neuen Saison.
Die letzte Saison wurde zwar nicht summa cum laude abgeschlossen, dennoch präsentierte sich der Schüler, unter Berücksichtigung dessen sozio-ökonomischen Hintergrunds, in den meisten Fächern sehr konstant. Als Leistungskurs wurde das Verteidigen erwählt und besonders hier zeichnete sich die Mannschaft durch hohe Konzentration in einem tiefen Block aus. Doch wie es für Teenager Sommerferien üblich ist, gehen Beziehungen zu Bruch und neue Menschen werden Teil der Clique. Und die Beziehungen, die zu Ende gingen, sind zahlreich und qualitativ kaum aufzufangen: Vollath, Schifferl, Hobsch, Fetsch, Keller, Krattenmacher, Westermeier, Bauer und die Welzis.
Der große Vorteil für Unterberger, in seinem ersten Jahr als Chefcoach einer ersten Mannschaft, war für mich nicht sein Talent die Mannschaft taktisch auf das nächste Level gehoben zu haben oder durch raffiniertes „in-Game-Coaching“ die Spiele zu ziehen. Viel mehr die gesunde Kaderatmosphäre, der kaderinterne Zusammenhalt und eine Vielzahl an starken Stimmen in der Kabine, ermöglichte es Haching den Gegnern weiterhin den „Wagner-Ball“ aufzuzwingen, also eine absolut eklig verdichtende und schwer zu bespielende Defensivstaffelung gepaart mit zwei Kanten im Sturm, die für entlastende Momente sorgen konnten und bei hohen Bällen nicht aus dem Spiel zu nehmen waren. Ich denke dabei nicht, dass es damals schon die bevorzugte Spielweise von Sandro Wagner in einem idealen Umfeld gewesen wäre, sondern pures Mittel zum Zweck. Er nutzte die taktische Herangehensweise, um die vorhanden Kaderqualitäten zur Geltung zu bringen.
Für Unterberger war seine zweite Saison der Prüfstein, um seine Anpassungsfähigkeit (an die neuen Stärken und Schwächen des Kaders), seine Führungsqualitäten (beim Formen der neuen Kaderstruktur und Integration der Neuzugänge) und die Entwicklung seiner eigenen taktische Handschrift zu beweisen. Auch wenn man anerkennen muss, dass die Saison wirklich vielversprechend begann. Zwei Heimsiege und zwei Auswärtsniederlagen, wobei diese beiden auch aufgrund unnötiger Gelb-Roter Karten an die Gegner aus Dortmund und Osnabrück gingen. Doch nach dem Heimspiel gegen Essen (MoneySchwabl analysierte) begann die Ergebniskrise. 16 Spiele ohne Sieg in Folge, davon 13 unter der Leitung von Unterberger. Die Gründe sind genauso manni(g)faltig, wie unser Präsi in wahrscheinlich 15 Jahren. Allen voran sehe ich das Gleiche, wie einst Thomas Tuchel bei Shawn Parker, am ausschlaggebendsten: „Nach welchen Ideen spielst du hier Fußball?“
Denn ein kurzer Blick in die Statistiken der Drittligisten lässt, wie an Stieflers Abrissbirne, kein gutes Haar an unserer Spielweise. Es gibt ja wirklich beinahe unendlich viele Ideen, Fußballspiele erfolgreich zu gestalten. Unser Stil der letzten beide Jahre, der an Simeones Atheltico Madrid erinnert und es verstand Druck durch eine tiefere Pressinglinie zu absorbieren, den Gegner in Zweikämpfe zu zwingen und in offensiven Umschaltsituationen, durch den Gewinn zweiter Bälle, das entstandene Chaos für freie Räume zu nutzen. Dieser Spielstil lässt sich in Statistiken dann vor allem an guten Zahlen in den Zweikampfwerten, niedrigen expected goals against und einer effektiven Chancenverwertung auslesen. Die RB-Schule erkennt man an vielen Ballgewinnen im gegnerischen Drittel, wenig gegnerischen Ballkontakten bis zur Rückgewinnung des Spielgeräts und vielen erfolgreichen progressiven Pässen. Tiki-Taka wiederum an hohen Prozentzahlen beim Ballbesitz und vielen Ballkontakten im gegnerischen Sechzehner. Diese Liste kann beliebig erweitert werden und alle mannschafts-, gruppen- und individualtaktischen Konzepte und Prinzipien erfordern, die, für die jeweilig vorhergesehen Rollen und Aufgaben, passenden Spieler.
Und Haching? Nun ja, zwar ist der Spielansatz wirklich auch nur Ansätzen zu erkennen, aber die Kennzahlen zeigen auf, dass die Ideen der Hinrunde nicht aufgehen:
- Ballbesitz: mit Nichten ist diese Statistik von hoher Relevanz, denn der beschriebenen Spielansatz lebt nicht davon, das Spiel zu kontrollieren. Dennoch sind Platz 19 im Ligavergleich mit 42,2% eine unhonorable Mention wert.
- Aber Platz 18 bei den erfolgreichen langen Bällen mit 39,9% ist besorgniserregend. Ebenso wie eine erfolgreiche Passquote von 70,9% und Platz 19.
- Auch der geteilte Platz 19 in der Liga für 29 erspielte Großchancen zeigt, dass wir offensiv zu ungefährlich sind. Ebenso sind wir mit 4,0 Torabschlüssen pro Spiel nur auf Platz 16 im Ligavergleich. Mit einer Schussverwandlungsquote von 10,5% sind wir immerhin im Mittelfeld und zeigt auch, dass wir durchaus effektiv sein könnten.
- Mit 8,2 abgefangenen Pässen pro Spiel liegen wir auf Platz 13, was bei unserem konservativen Ansatz mit einem low-block auch bedeutet, dass wir es zu selten schaffen nah am Gegner zu sein und Pässe/Spielzüge zu antizipieren
- Beim Gegenpressing mit 2,3 Balleroberungen im letzten Spielfelddrittel sind wir Tabellenschlusslicht (nachvollziehbar)
- 405 Ballberührungen im gegnerischen 16er über die Saison bedeuten Platz 17.
- Mit 1,26 expected goals pro Spiel sind wir die zweit ungefährlichste Mannschaft.
- Und mit einem xga Wert von 1,76 sind wir die Truppe, die die meisten Chancen zu lässt.
- Mit 11,2 Balleroberungen pro Spiel sind wir immerhin auf Platz 7 der Liga
Natürlich könnte man hier noch viel mehr ins Detail gehen, aber egal wie man es betrachten und interpretieren möchte, denn jedes Spiel ist im Nachhinein individuell zu betrachten und es gab mit Sicherheit auch ein paar Spiele in denen wir den Sieg verdient gehabt hätten und durch ein Gammeltor die drei Punkte abgeben mussten, ist es trotzdem offensichtlich, dass es fußballerisch hinten und vorne fehlt, im wahrsten Sinne der Worte.
Woran hat et jelegen, fragt man sich da?
- Vorhersehbarkeit: die Gegner brauchen in der Regel keine große Vorbereitung, denn sowohl personell, als auch taktisch, erwartet andere Mannschaften keine Überraschung gegen Haching. Die meisten versuchen durch eine höhere Pressinglinie, den Weg für Umschaltmomente möglichst weit zu gestalten und schaffen es durch den entstandenen Druck, immer schnelle Ballverluste zu provozieren. Auf eine Antwort darauf wartet man bisher vergebens, wie René Vollath damals auf einen neuen Vertrag.
- fehlender Ziel/Wandspieler: Mit Fetsch hatte man, den wohl effektivsten Wandspieler im Team, der es immer wieder schaffte Bälle festzumachen oder durch seine Präsenz zweite Bälle zu erzwingen. Ihorst ist nicht dieser Spielertyp und Gibson Nana Adu war in dieser Rolle gegen gestandene Profis teilweise verloren.
- Isolierungen auf außen: Gegner mit guten Eins gegen Eins Spieler isolieren diese gerne auf ihrer linken Außenseite (z.B. Viktoria Köln oder der BvB II), um ihre Tempovorteile gegen Markus Schwabl auszuspielen. Entweder muss ihn dann jemand unterstützen und es ergibt sich eine Lücke, oder der Routinier muss 90 Minuten gegen einen Jungspund verteidigen – nicht einfach.
- Ballsicherheit: Durch fehlende Anspielstationen scheint Geis oft verzweifelt im Ballbesitz. Er schaut und schaut und wird dann meist zu einem riskanten langen Ball gezwungen. Auch in anderen Spielfeldteilen scheinen die Abstände sehr weit und es bedarf einer starken Einzelaktion, um den Ball in den eigenen Reihen zu halten.
- keine Tiefenläufe: es fehlt einfach die Tiefe im Spiel. Zahlreiche Situationen im Halbfeld ergaben eigentlich eine vielversprechende Ausgangslage für einen Schnitstellenpass, aber dort wo der Ball landet, ist kein Rot-Blauer in Sicht.
- fehlender Ball-Carrier: für mich fehlt im Zentrum auch ein Spieler, obwohl ich Waidner durchaus in dieser Rolle sehen könnte, der den Ball auch mal ein paar Meter treibt, in einen freien Raum läuft oder das Spiel verschleppt. Westermeier und Krattenmacher waren für mich der Prototyp eines Ball-Carriers, welche immer wieder Lücken reißen konnten. Aktuell wird der Ball oft schnell weitergegeben, wobei die Entscheidungen nicht immer ideal sind.
- Verletzungen: Auch zahlreiche Blessuren erschwerten es in der Hinrunde einen festen Stamm zu etablieren, wobei besonders die Ausfälle von Knipping und Ihorst, die zur jeweiligen Zeit gerade schienen, in Tritt zu kommen und wichtige Ankerspieler der Vorstadt zu werden.
Auch hier könnte man, im Gegensatz zu unserer Offensive, noch in die Tiefe gehen, aber insgesamt bleibt die Entscheidung, obwohl es sich wahrscheinlich alle anders gewünscht hätten, Unterberger freizustellen, die richtige. Im Gegensatz zur Horrorsaison mit Arie van Lent, gaben auch die Zahlen keinen Grund zur Hoffnung und da der Kader während der Saison nun mal kaum zu ändern ist, bleibt ein Trainerwechsel oft das sinnvollste Werkzeug, um den Bock vielleicht noch umzustoßen. Eine Einzelkritik zu den Spielern spare ich mir an dieser Stelle und möchte mich viel mehr ressourcenorientiert an das Positive klammern.
Im Kader gibt es nämlich einige Stärken, die in der dritten Liga noch Potential entfalten können:
Durch Geis, Skarlatidis und Maier haben wir drei überaus gute Standardschützen. Diese können in Kombination mit Stiefler und diversen erarbeiteten Varianten das Quäntchen sein, um ein Spiel zu unseren Gunsten zu entscheiden.
Dazu hat man mit Markus Schwabl einen echten Leader, dem ich es mit seinen erfahrenen Kollegen zutraue, die Moral in der Kabine trotz herber Rückschläge hochzuhalten. Insgesamt hat man sowieso nicht den Eindruck, dass es aktuell eine Frage der Einstellung sei. Weiterhin muss man es schaffen Geis und Skarlatidis besser ins Spiel einzubinden, denn diese sind durch ihre technischen Fähigkeiten absolute Unterschiedsspieler. Auch Gibson Nana Adu sollte in meinen Augen eine Position bekleiden, die es ihm ermöglicht in Eins gegen Eins Situationen anzudribbeln. Insgesamt ist der Trainerwechsel die Chance einen kontrollierteren Ansatz zu erarbeiten und oft reicht schon ein kleines Erfolgserlebnis, das den Knoten platzen lässt.
Ich würde mir sehr wünschen, dass wir defensiv in einem tiefen 5-4-1 verteidigen, um Steckpässe besser verteidigt zu bekommen und sich besser unterstützen zu können. Diese Formation ist auf jeden Fall eine noch härter zu knackende Nuss.
Mit Ball wäre ein 3-2er Aufbau zumindest schwerer zu pressen und ermöglicht einfach mehr Kontrolle und Anspielstationen im Spielaufbau. Davor bräuchte es dann eine gute Besetzung der Halbräume, Flügelüberlagerungen, Tiefenläufe und/oder abkippenden Stürmern, sprich, klare Abläufe, um Spieler wie beispielsweise Skarlatidis, Kügel und Adu in Positionen zu bringen, die ihnen schmeicheln.
Mit Heiko Herrlich hat man sich zwar ein bekanntes Gesicht, aber auch eine Wundertüte an die Seitenlinie gestellt. Ich hoffe er schafft es, die Mannschaft schnell zu verbessern und wünsche mir Mut bei Entscheidungen und Herangehensweisen. Zu verlieren hat man jetzt auf jeden Fall nichts mehr. In seinem zweiten Spiel steht ihm mit Ingolstadt ein Gegner gegenüber, der zwar sehr torgefährlich ist, jedoch bereits gezeigt hat, auch hinten anfällig zu sein. Ich nehme auf alle Fälle jeden Strohhalm zum Festhalten mit, ihr am Besten auch.
Wir lesen uns bald wieder!
Auf geht‘s Haching!