Servus mitanand,
halb Fußballdeutschland ist spätestens seit der diesjährigen Europameisterschaft einem Ohrwurm anheimgefallen. Ob unter der Dusche oder auf dem Nachhauseweg aus der Lieblings-Boazn, die Kriminalisierung des Abbrennens pyrotechnischer Gegenstände wird musikalisch in Frage gestellt. Dass es sich bei dieser Thematik um eine langjährige Grundsatzdiskussion handelt, ist hinlänglich bekannt und diese Diskussion ob der Sinnhaftigkeit dieser optischen Supportunterstützung sprengt nicht nur den Rahmen dieses Blogs, sondern ist zudem noch älter als Van Halens „Jump“ als Einlaufmusik.
Deshalb verliere ich hierzu nur wenige Sätze, die meine subjektive Meinung zu diesem Thema verdeutlichen sollen und dass es hierbei natürlich diverse andere sinnvolle Argumente für beide Seiten gibt, ist als selbstverständlich zu betrachten. Ich persönlich finde Pyroshows einfach oft ästhetisch und beeindruckend. Natürlich sind Rauchtöpfe, Bengalos et cetera gesundheitsschädlich und können unter Umständen, allen voran der verantwortungslose Gebrauch dieser, gefährlich sein. Soweit ist dies in der Silvesternacht nicht anders. Hier möchte ich anmerken, dass der Sinn von Böllern, unabhängig des Kontextes, ohnehin ein Rätsel bleibt und für nichts als einen Schreckmoment des näheren Umfeldes sorgt. Der Grund dafür, dass Pyrotechnik, im Kontext Fußball, manchmal unkontrolliert, manchmal verantwortungslos abgebrannt wird, liegt einzig an der Existenz des Verbots, denn wäre es Kurven gestattet, beispielsweise in bestimmten Bereichen des Blocks Pyro zu zünden, könnte dieser Prozess organisiert werden und Schäden des Umfelds minimiert werden. Und paradoxerweise nutzen DFB, DFL und die jeweiligen Vereine, trotz Sanktionen gegen Gruppen, Kurven und Individuen, dann die entstandenen Bilder aus Choreographien für die Auslandsvermarktung, denn die Stimmung in deutschen Stadien lässt sich brillant verkaufen. Ähnlich wie bei der Entkriminalisierung von Cannabis sollte es die Verantwortlichen zu einem Paradigmenwechsel bezüglich Pyrotechnik bewegen, denn gezündet wird weiterhin und die Fans können am Besten geschützt werden, wenn den Kurven die Möglichkeit gegeben wird, die Aktionen anzumelden, zu kontrollieren und so dann schöne Bilder zu kreieren ohne Gefährdung für Dritte und Sanktionen für den Verein zu verursachen.
Und bevor wir uns dem Geschehen auf dem Platz widmen, müssen wir dennoch über die Geschehnisse rund um den Boykott der aktiven Fanszene der Spielvereinigung sprechen. Beim Heimspiel gegen Rot-Weiß Essen gab es nämlich keine Unterstützung aus der Südtribüne.
Wieso? Die harten Fakten sind für mich hanebüchen. In den unzähligen Stunden meines Lebens, die ich auf der Südtribüne verbracht habe, kann ich die Pyroaktionen der Heimfans an wahrscheinlich zwei Händen abzählen, sodass bei Haching der Diskurs einer Gefährdungslage durch die aktive Szene obsolet ist. Unterhaching, wie auf den Spruchbändern auch zu lesen war, dient als Übungsplatz der Einsatzkräfte. Von Hochrisikospielen ohne Risiko, über Kollektivkontrollen, bis hinzu Übungen unter der Woche am Parkplatz, hier können sich Polizisten auf den Ernstfall vorbereiten. Und jeder, der jemals in den Genuss einer Fortbildung gekommen ist, die einen dermaßen motiviert all das Gelernte in die Praxis umzusetzen, kann die Polizisten nachvollziehen. Leider nur macht der Gelernte Inhalt in Unterhaching meist wenig Sinn. So kam es nach dem ersten Heimspiel dieser Saison und der damit verbundenen Choreografie zum Einlauf der Mannschaften zur Forderung der Polizei, dass zukünftig im Heimbereich keine Banner mehr angebracht werden dürften, damit die Kurve mit Argusaugen beobachtet werden kann. Scheinbar konnte im weiteren Verlauf der Verein vereinbaren, dass zwar Banner aufgehängt werden dürfen, jedoch Sichtfenster zur Kontrolle der Kurve freigelassen werden sollen. In meinen Argusaugen ist dies eine völlig überzogene Maßnahme und es bleibt zu hoffen, dass es diesbezüglich zu einer schnellen Einigung kommt, um die eigentlich positive Stimmung im Sportpark in den letzten beiden Jahren nicht im Keim zu ersticken, wie es ein Rauchtopf machen würde.
Exkurs: Der Zufall als heimlicher Spielmacher – Wie Fortuna und Big Data den Fußball aufmischen
Dieser Exkurs ist an alle gerichtet, die die ersten zehn Minuten der Partie gegen Essen aufmerksam verfolgt haben oder die Möglichkeit haben sich diese über Magenta erneut anzutun, denn wer nach diesen Sequenzen nicht an Zufälle glaubt, glaubt auch, dass die aktuelle Champions League Reform, den kleineren Klubs einen Vorteil verschafft.
An der Deutschen Sporthochschule Köln hat man den Fußball gründlich unter die Lupe genommen und herausgefunden, was wir schon lange vermutet haben: Der wahre Spielmacher auf dem Platz ist der Zufall. Während sich Trainer und Analysten über taktische Finessen und ausgeklügelte Spielzüge den Kopf zerbrechen, zeigt eine Studie des Instituts für Trainingswissenschaft und Sportinformatik, dass es oft Fortuna, nicht die aus dem letztjährigen DFB Pokal-Spiel, ist, die den Ball ins Netz befördert – oder eben auch nicht.
Unter der Leitung von Prof. Dr. Daniel Memmert wurde die bislang größte Big-Data-Studie zum Thema Zufall im Profifußball durchgeführt. Die Forscher analysierten stolze 7.263 Tore aus der englischen Premier League und stellten fest: Fast jedes zweite Tor (46%) war das Ergebnis eines zufälligen Ereignisses. Da fliegt der Ball nicht geplant ins Tor, sondern weil er vom Pfosten zurückprallt oder ein Abwehrspieler ungewollt zum Torschützen wird. Abgefälschte Schüsse, Distanzschüsse oder einfach nur ungeschickte Abwehraktionen – der Zufall lauert überall.
Die Erkenntnisse der Studie bringen selbst die größten Fußballexperten ins Grübeln. Denn bisher konzentrierte sich die Forschung vor allem auf planbare Erfolgsfaktoren, die sich im Training systematisch verbessern lassen. Doch wie soll man den Zufall trainieren? Ist es wirklich möglich, unkontrollierbare Situationen bewusst zu erzeugen, um Fortuna ein Schnippchen zu schlagen? So können die langen Abschläge der vergangenen beiden Jahre in Richtung Fetsch als Kultivierung des Zufalls gesehen werden, denn wie und ob der Ball in den eigenen Reihen landet, kann kaum wiederholt trainiert werden und ist von unzähligen Faktoren abhängig. Und so ist auch unsere diesjährige pressing- und konterorientierte Herangehensweise dafür prädestiniert den Zufall in Zweikämpfen das Zünglein an der Wade sein zu lassen.
Interessanterweise zeigt die Studie auch, dass der Anteil der Zufallstore in der englischen Premier League, der besten Liga weltweit, in den letzten Jahren leicht gesunken ist – von 50% auf 44%. Die Forscher vermuten, dass dies mit der immer professionelleren Spielvorbereitung und der besseren technischen Ausbildung der Spieler zusammenhängen könnte. Aber eins bleibt sicher: Der Zufall wird auch in Zukunft für die eine oder andere Überraschung sorgen. Immerhin endeten mehr als 59+1 Prozent der ausgewerteten Spiele entweder mit einem Unentschieden oder einer knappen Tordifferenz von einem Tor. Ein einziges zufälliges Tor kann also den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage ausmachen. Dass diese Faktoren, trotz fehlender Studien, in der dritten Liga zu potenzieren sind, liegt auf der Hand. Technische Defizite im Vergleich zu den Big-Playern des Fußballsports, weniger Trainingseinheiten unter weniger professionellen Bedingungen, die wiederum weniger Automatismen im Spielablauf ermöglichen, Unkonzentriertheit durch die geringere Ausdauer und viele andere strukturelle Faktoren, führen dazu, dass in tieferen Ligen der Zufall eine noch größere Rolle spielt. Und in allen Analysen dieses wunderbaren Spiels muss dieser Faktor im Hinterkopf behalten werden. Am Ende bleibt nur eines zu sagen: Der Zufall wird im Fußball oft unterschätzt, aber er spielt eine entscheidende Rolle.
Das zweite Heimspiel – die Analyse
Im vergangenen Artikel habe ich bereits angedeutet, dass eine taktische Metamorphose von Wagners spielerischem Ansatz, der stark an eine Version von Diego Simeones Athletico Madrid der 2010er Jahre erinnert, hin zu einem, der RB-Schule anmutenden, intensiven Pressingfußball vollzieht. Beide haben vor allem Kick and Rush beziehungsweise Steil-Klatsch Prinzipe zu Grunde. Dass der Fußball in Haching sich besonders zu dieser Saison verändert, liegt an den zur Verfügung stehenden Spielern. Wagner nutzte mit seiner Herangehensweise geschickt die Erfahrung, das Stellungsspiel, Körperlichkeit und Mentalität der Gruppe, um möglichst erfolgreich sein. Unser spielender Sportdirektor konnte der Mannschaft durch die Neuzugänge so verändern, dass eine neue Spielweise mehr Sinn macht und wird in der Analyse des zweiten Heimspiels gegen Rot-Weiß Essen deutlich.
Organisierte Abwehr
Begonnen mit dem Spiel gegen den Ball, ist der erste große Unterschied bereits offensichtlich. Anstelle auf das Mittelfeldpressing der vergangenen Spielzeit (siehe letzter Blogeintrag), setzt Unterberger jetzt viel mehr auf ein aktives und intensives Angriffspressing. Die Pressinglinie liegt häufig am gegnerischen Sechzehner und hatte zum Ziel den Essenern Defensivakteuren wenig Zeit für die Entscheidungsfindung zu bieten. Gepresst wird meist mit Mannorientierung, was besonders an Waidner und Ortel, die ihre Gegenspieler als zentrale Mittelfeldspieler bis in den Sechzehner verfolgten, deutlich wird. Es entsteht dabei also ein kollektives Gegenpressing, wobei erwähnt werden muss, dass es sich auch um eine Mischform aus Mann- und Passwegorientierung handelt, was wiederum an der passwegorientierten Positionierung von Ihorst erkennbar ist, während der zweikampfstarke Sturmpartner Kügel die Gegner aktiv anläuft.
Genau durch dieses Pressingverhalten, was in der vergangenen Saison auch bereits bei gegnerischen Abstößen beobachtet werden konnte, entstand die 1:0 Führung nach dem Pausentee. Der Ball konnte hoch erobert werden und ins Zentrum gespielt, von hier abgelegt landet Ortels Schuss, nachdem er abgefälscht wird (welch Zufall) im kurzen Eck.
Mit dieser Mannorientierung wird dann durchverteidigt, also auch die Innenverteidiger Hoops und Knipping schoben immer wieder hoch, um den, sich fallen lassenden Stürmern, keine Luft zum Atmen zu geben. So war durch die aktive Verfolgung und starke Zweikampfführung durch die Hachinger Mannschaft kaum ein Aufdrehen der Essener Spieler möglich und öffnende Pässe konnten meist nur über die Außen und seltener durch die Halbräume gespielt werden. Da diese Spielweise besonders bei den Temperaturen vergangenen Sonntag ziemlich Kräfte zehrend ist, war ich vom Fitnesszustand unserer Truppe stark beeindruckt.
Dabei hatte Essen in meinen Augen einen durchaus spannenden Ansatz für das Auswärtsspiel im Sportpark gewählt: konnte das Spiel bereits Richtung Mittellinie aufgebaut werden, verteidigte Haching in einem engen 4-4-2, um die Mitte durch die Unterstützung von Skarlatidis und Maier zu schließen und die Gäste auf die Außen zu lenken. RWE Coach Dabrowski versuchte die defensive Staffelung der Rot-Blauen mit einem 2-3-5 in Ballbesitz in letzter Linie zu überladen. Und um ehrlich zu sein, war der Faktor Zufall auch das ein oder andere Mal dafür verantwortlich, dass es kein Gegentor gab.
Nach Schwabls Gelb-Rot Gefährdung (auf die erste Gelbe gehe ich gar nicht erst ein) stellte Unterberger um, sodass Ortel die rechte Abwehrseite beackerte und Zentrich die defensivere Rolle im Mittelfeldzentrum übernahm.
organisierter Angriff
Die Ballbesitzverhältnisse der Partie gegen RWE zeigen bereits, dass es nicht im Interesse unserer Elf war den Ball lange und geduldig in den eigenen Reihen zu halten und das Spiel ruhig aufzubauen. 62% für Essen und 38% für Haching sprechen eine deutliche Sprache. Besonders am Umschaltverhalten nach Ballgewinnen ist der Spielansatz gut zu erkennen. Ballbesitzsicherung spielt nämlich keine Rolle, sonder viel mehr sehr vertikale Pässe auf die im Halbraum spielenden Skarlatidis und Maier oder ins Zentrum auf die entgegenkommenden Spieler. So entstanden aus diversen Steil-Klatsch-Steil Kombinationen aussichtsreiche Möglichkeiten.
Einen organisierten Aufbau konnte ich bis zur Schlussphase nur bei ruhenden Bällen in der eigenen Hälfte beobachten. Hier wurde im 2-4-2-2 aufgebaut und gelegentlich kippte Ortel in die rechte Innenverteidigung ab, damit Schwabl höher schieben kann. Doch selbst nach einem ruhigen Aufbau war das Ziel den Ball schnell ins letzte Drittel zu befördern. Hier waren besonders die Laufwege des Sturmduos und der äußeren Spielmacher im Halbraum entscheidend, ob und wie der Angriff weitergeführt wird. Ebenso gab es gelegentlich Durchbrüche über Außen, besonders wenn Ortel oder Waidner hinter dem gegnerischen Außenverteidiger in die Tiefe sprinteten. Durch diese schnellen Angriffsvorträge ergaben sich 1 gegen 1 Situationen in der letzten Kette und Ihorst hätte mit einem saubereren Kontakt bereits in der ersten Hälfte ein Tor erzielen können.
Standards
Auch zu den ruhenden Bällen selbst möchte ich noch zwei Gedanken verlieren. Zum Einen ist es für uns wirklich ein Segen mit Skarlatidis und Maier zwei unglaublich starke Standardschützen in der Mannschaft haben und es verwundert nicht, dass wir mal wieder durch einen Freistoß im Halbfeld getroffen haben. Diesmal brachte Maier den Ball punktgenau auf den kurzen Pfosten, wo Kügel, der am Sechzehner startet, seinem Gegenspieler entwischt und den Ball perfekt erwischt.
Der zweite Gedanke betrifft die Ecken der Essener. Sie versammelten sich auffällig im 5-Meter-Raum, da sie wohl das Spiel in Osnabrück analysiert haben. Denn Strafraumbeherrschung ist für einen Torwart ohnehin ein schwieriges Geschäft, welches besonders durch viele Erfahrungswerte verbessert werden kann. Mit Konstantin Heide haben nun wir einen Torwart, der hier noch unsicher wirkt. Umso schöner, dass er im zweiten Heimspiel mit einer weißen Weste davonkommt.
Sonstiges
Boipelo Mashigo – Für mich einfach wunderschön den Südafrikaner wieder fit auf dem Platz zu sehen. In einem Dribbling in der Schlussphase konnte er seine unwiderstehliche Technik wieder andeuten. Ich hoffe, dass er diese Saison noch viel mehr Zeit zum Zaubern hat und vor allem verletzungsfrei bleibt.
Ortel wird, wenn er so weitermacht, als das bayrische Taschenmesser in die Hachinger-Geschichtsbücher eingehen. Einfach eine Augenweide ihm zuzusehen und mit diesem Laufpensum würde wahrscheinlich kaum ein Pferd mithalten.
Der Sturm – Mir gefällt einfach die Agilität der 3 neuen Stürmer, immer aktiv und hochengagiert. Die Jungs machen viel Spaß und werden mit Sicherheit noch für einige Tore gut sein.
Hoops i did it again – richtig guter Auftritt als Ersatz des gesperrten Stiefler. Hoffentlich hat die Abrissbirne ab und zu Bock die Füße hochzulegen, damit Hoops auch viele Minuten macht.
Am kommenden Samstag geht die dritte Liga dann mit dem Auswärtsspiel in Saarbrücken weiter, während unter der Woche das Toto-Pokal Spiel in Deisenhofen gewonnen wurde, sodass wir im Viertelfinale stehen. Schön zu sehen, dass der Pokal ernst genommen wird und Ihorst entwickelt sich zum Abwehrschreck in diesem Wettbewerb. Das Testspiel gegen Regensburg am Donnerstag ging mit 1:5 verloren, sollte aber wohl dazu dienen die Spielpraxis bei einigen Akteuren hochzuhalten. Ich hoffe, dass ich wieder regelmäßig Einträge posten kann und ebenso, dass ihr meine Artikel gerne lest, auch wenn ihr zufällig hier landet.
Wir lesen uns bald wieder!
Auf geht‘s Haching!