MoneySchwabl und die Suche nach einem Dreier oder der Spagat zwischen Stallgeruch und Neuanfang

Servus mitanand,

Emotionen sind ein mächtiger Faktor in unserem Leben. Sie beeinflussen, wie wir die Welt um uns herum wahrnehmen, formen unsere Einstellungen und prägen unsere Haltungen. Für die Fans von SpVgg Unterhaching sind Emotionen nicht nur die rot-blaue Glückseligkeit nach 12 Weißbier, sondern oft auch eine Quelle des Leidens – die Wurzel einer leidenschaftlichen Bindung, die ebenso viel Trost wie Schmerz bringt, sozusagen die doppelte Natur der Fanliebe. Psychologisch betrachtet tragen Emotionen die Macht, unsere Wahrnehmung zu verzerren: Erfolge verleiten uns zu Euphorie, Niederlagen zur Schwarzmalerei. Doch Emotionen alleine lenken uns nicht – vielmehr formen sich Haltungen und Ansichten oft durch soziale Interaktion, kollektive Erlebnisse oder schierer Lebenserfahrung. Hier nimmt das Fansein eine zentrale Rolle ein: Als Anhänger identifizieren wir uns mit einem Verein, und die Kämpfe auf dem Platz werden zu unseren eigenen. Für leidenschaftliche Fußball-Fans bedeutet das: bedingungslose Hingabe und ein unerschütterlicher Glaube, der trotz sportlicher Rückschläge überdauert.

Im Falle eines Haching-Fans bedeutet das auch, ein hohes Maß an Leidensfähigkeit zu entwickeln. Diese emotionale Bindung ist von Nostalgie geprägt – von einer Erinnerung an vergangene Erfolge, an Zeiten, in denen Haching sich einen Namen gemacht hat, das Dorf in der Bundesliga, der ewige deutsche Hallenmeister. Doch in schwierigen Phasen kann die emotionale Wahrnehmung auch trügen: Wo Fans Engagement und Kampfgeist sehen, könnten außenstehende Beobachter Schwächen und Rückschläge erkennen. Objektivität und Fanliebe kommen selten unter einen Hut. Ein solcher Blick auf die aktuelle sportliche Krise fordert jedoch genau das: Distanz zu den eigenen Erwartungen und ein nüchterner Blick auf die Tatsachen.

Fußball lebt von Emotionen – von dem Gefühl, ein Spiel mitzureißen und die Dynamik auf dem Platz mit dem Herzen zu spüren. Diese „gefühlte Wahrheit“ gibt Fans das Gefühl, jeden Pass, jede Aktion und jede Chance im eigenen Team widerzuspiegeln. Doch diese Wahrnehmung kann täuschen. Wissenschaftlich betrachtet unterliegt unsere Wahrnehmung starken Verzerrungen, wenn Emotionen involviert sind. Der sogenannte *Confirmation Bias* – die Neigung, Informationen so zu interpretieren, dass sie unsere eigenen Erwartungen und Überzeugungen bestätigen – tritt hier häufig auf. Ein AFD-Wähler neigt dazu auf Nachrichten, die ein rassistisches Weltbild bestätigen, mit Wohlwollen zu reagieren, hingegen auf Nachrichten, die Weltoffenheit suggerieren, mit Hass. Ein Fan wiederum neigt dazu, die positiven Aktionen seines Teams zu überschätzen und Fehler der Gegner zu übersehen.

Daher gibt es im modernen Fußball zunehmend den Blick auf harte Daten und Statistiken wie Expected Goals (xG), Expected Goals Against (xGA) und Expected Points (xP), die uns eine objektive Grundlage geben, um die Leistung einer Mannschaft zu bewerten. Wo Fans vielleicht „dominanten Fußball“ gespürt haben, zeigen xG und Ballbesitzstatistiken oft ein anderes Bild. Diese statistischen Werte bringen die kalte Realität zurück: xG ermittelt, wie viele Tore ein Team im Durchschnitt auf Basis seiner Chancen hätte erzielen sollen, während xGA die Qualität der gegnerischen Chancen bewertet.

Um die tatsächliche Leistungsfähigkeit einer Mannschaft zu bewerten, ist daher eine nüchterne Analyse mit Hilfe von Statistiken unverzichtbar – auch wenn das für Fans manchmal schwer zu akzeptieren ist. Nach mittlerweile 9 Spielen ohne Sieg ist es in der Vorstadt immer noch schwer zu akzeptieren, dass die sportliche Krise längst zur Realität geworden ist. Das liegt bei vielen und auch bei mir am positiven Gesamtbild unserer Spielvereinigung der vergangenen Zeit, wir sind Opfer unserer emotionalen Wahrnehmung. Der Stallgeruch, inklusive der Besetzung des Sportdirektorpostens und der Cheftrainerwahl, die Aufbruchstimmung, inklusive dem möglichen Stadionkauf (sollte dieser überhaupt möglich sein), das soziale Engagement, inklusive Tränen beim Einlauf gegen die Blauen, oder die Mannschaft per se, inklusive junger Wilder und erfahrener Sympathieträger – all diese Punkte, und viele mehr, lassen es zu, die Ergebnisse der vergangenen Wochen nicht zu dramatisieren. 

Um die Ergebnisse nüchtern zu betrachten, was besonders am Wochenende schwierig ist, muss ich mich von meiner emotionalen Verbundenheit zu Rot-Blau lösen und bei Magenta oft drei Mal erneut die Wiedergabe einer Partie erleben, als wäre ich Tom Cruise in Edge of Tomorrow. In diesen Analysen, die ich hauptsächlich für diesen Blog erarbeite, lassen sich dann natürlich auch viele Kritikpunkte finden. Aber dieser Artikel soll sich nicht darauf verstehen, den Finger in die Wunde zu legen, oder Gründe für die aktuelle Phase des Misserfolgs zu finden. Diese sind erstens unmöglich aufzuzählen und zweitens bin ich überzeugt, dass Trainerteam und Mannschaft selbst viel Zeit damit verbringen diese Gründe zu identifizieren. Beispielhaft sind es, neben den bitteren Verletzungen von Ihorst und Knipping, Dinge, wie die fehlende Tiefe im Angriffsspiel, zu schnelle und unnötige Ballverluste nach Ballgewinnen, falsche Entscheidungen, oder einfach individuelle Fehler. Und die ungeschminkte Wahrheit, wie sie uns Rena Schwabl auch aus dem Leben einer Spielerfrau zeigt, lässt wenig Optimismus aufkommen: die blanken Zahlen, die unsere Offensiv- und Defensivleistung einordnen.

Bei den XG (erwarteten Toren) liegen wir im Gesamtvergleich der 3. Liga mit Chancen für 1,15 Toren pro Spiel auf dem vorletzten Platz. Selbst zu Hause im Sportpark, der die letzten Jahren zur Festung avancierte, gibt es durchschnittlich Tormöglichkeiten für 1,31 Tore, was auch lediglich für Platz 16 im Ligavergleich reicht. Auswärts sind wir mit 0,96 xG pro Spiel die zweit-harmloseste Mannschaft dieser Saison. Der Lichtblick ist der heutige Gegner, denn die Zweitvertretung von Stuttgart ist die Mannschaft, die sogar uns unterbieten kann. Defensiv sieht es ähnlich aus: Bei Reisen in die Fremde kann erwartet werden, dass wir mit 2,04 Toren im Gepäck zurück nach Haching fahren. Zu Hause liegen wir auf dem 10. Platz im Mittelfeld, also verteidigen dahoam stabiler. Mit diesen Zahlen können auch weitere Spielereien wie die Tabelle nach expected Points erstellt werden: https://www.liga3-online.de/expected-points-wie-die-tabelle-eigentlich-aussehen-muesste-november-2024/ 

Nun soll dieser Artikel nicht zum Schwarz-Malen oder kollektiven Pessimismus verleiten, sondern einen Wunsch für die Spielweise, den wohl die meisten in sich tragen, formulieren. Nach den vielen Transfers ist allen klar, dass es gerade eines Spagats zwischen Stallgeruch (also auch der Jugendförderung) und Neuanfang bedarf. Denn wenn ich mich an die Zeiten des Aufbruchs und die letzten beide Jahren erinnere und besonders mit dem heutigen Auftreten vergleiche, ist der kollektive Aspekt unseres Spiels etwas abhanden gekommen. Das bedeutet nicht, dass man zum Reißbrett zurück kehren muss, um eine Einheit zu formen, denn die Grundlagen, wie Wille und Laufbereitschaft, sind absolut bei allen vorhanden. Dennoch sind die Wagner‘schen Grundprinzipien, die Basis unseres sportlichen Erfolgs, nicht mehr die Grundlage. Dieses eklige Verteidigen, diese gnadenlose Zweikampfführung und das kollektive Verteidigen als Einheit auf dem Platz. Ich freue mich auch über geile Offensivaktionen, wie Passstafetten oder Dribblings. Doch noch viel befriedigender fand ich die Mutlosigkeit in den Augen der Gegner, die nach den ersten Zweikämpfen schon keinen Bock mehr hatten gegen die Vorstädter Fußball zu spielen. Und das ist es, was ich mir von der Mannschaft wieder erwarten möchte. Alleine durch unsere Stellung im Profifußball und der damit verbundenen Nahrungskette verlieren wir ohnehin ständig unsere talentiertesten Spieler und finanzieren so das Überleben, sodass Haching niemals über individuelle Klasse erfolgreich sein wird. Viel mehr wenn auch unsere Spieler ihre Klasse in den Dienst der Mannschaft stellen, denn keiner aus der Mannschaft muss die Spielvereinigung auf den eigenen Schultern tragen, aber jeder muss füreinander immer alles geben. So entsteht Selbstbewusstsein und dieses sorgt dafür, dass man sich ein Herz fasst und es auch in der Offensive wieder läuft.

Somit liegt es an jedem im Verein, egal ob Spieler, Trainerteam oder Fan, die eigenen Reaktionen auf die vergangenen Niederschläge, auf die Emotionen, die mitgenommen werden, zu reflektieren. Denn es gilt zu verhindern, weder in eine rot-blauäugige Bewertung durch den allgemeinen Optimismus, noch in einen kräftezehrenden Pessimismus, der jedes Spiel schwieriger scheinen lässt, obwohl es wie immer mit einem 0:0 eröffnet wird, zu verfallen. 

Ich bleibe optimistisch, auch wenn es heute gegen einen vermeintlich einfachen Gegner nicht klappen sollte, den Bock umzustoßen. Die dritte Liga ist verflixt und alle können an einem guten Tag jeden schlagen und ich spüre, dass heute genau so ein guter Tag ist und ich hoffe, dass bis zur Winterpause noch einige folgen.

Wir lesen uns bald wieder.

Auf geht‘s Haching!